FRUCHTBARE AUGENBLICKE.

art Magazin, Jan 2012 by BARBARA HEIN

Viel brauchen diese Bilder nicht, um zu wirken – nur eine Wand und ein bisschen Licht, das ihren unbeschreiblichen Glanz freisetzt. Matthew Davis hält Momente fest, wie den oben in "Expanding Ground", auf dem ein vom Torwart geschossener Fußball über zwei Spielern in der Luft wirbelt.

Fast meint man, das satt-dumpfe Abschussklatschen, die "Ahs" und "Ohs" der Menge, den Jubel über den abgewehrten Angriff zu hören. Das ist nicht nur die Essenz des Spiels, das ist auch ein fruchtbarer Augenblick im klassischen Sinn. Aber das allein macht die Faszination noch nicht aus. Es ist auch die aufwendige Entstehungsweise und dominante Materialhaftigkeit dieser Bilder. Davis setzt alltägliche Motive wie Stadien-, Jahrmarkt- oder Badeszenen geduldig aus Abertausenden hochglänzenden Kunstharztropfen zusammen. Jede Schicht muss trocken sein, bevor die nächste aufgetragen werden kann. Das dauert oft Monate, in denen der 43-Jährige immer wieder warten muss. "Dann kommen die Zweifel und ich überlege, ob das alles so gut ist. Eigentlich müsste ich an mehreren Bildern gleichzeitig arbeiten, um effektiv zu sein – aber das kann ich nicht. Ich muss mich voll auf ein Bild konzentrieren."

Die Aufspaltung in Punkte ist in der Kunst nicht neu, aber trotzdem verleihen die unterschiedlich großen, planvoll übereinandergetropften Farbflächen den Bildern eine fast unbeschreibliche Kraft und Lebendigkeit, die in dieser Form so noch nicht da war. Trotz dieser Lebendigkeit wird die Künstlichkeit der Arbeit durch die Zerschlagung der Motive in unzählige Fragmente noch unterstrichen. Das spiegelt auch den meditativen Arbeitsprozess wieder, der – bedingt durch die vielen Trockenphasen – auch aus unzähligen Einzelmomenten besteht. So schafft Matthew Davis es, bekannte, ja fast profane Szenarien vollkommen neu wirken zu lassen und wird damit seinem eigenen Anspruch an gute Kunst gerecht: "Der Künstler sollte ungefähr die Reaktion vorausahnen, die sein Werk beim Betrachter auslöst, und das ist idealerweise so etwas wie das Gefühl eines ersten Mals."


Steckbrief

Geboren:Colchester, 1969

Wohnort:Berlin

Ausbildung:BA (Hons) Camberwell, College of Arts, MA Norwich School of Art and Design

Initialzündung:Die Landschaft von Suffolk – besonders Himmel und Felder, Comics und John Constables Wolkenstudien

Höhepunkt:Am Ende der Ausstellung "Malerei ohne Malerei", in der ich 2009 vertreten war, fand in der Kunsthalle Wilhelmshaven eine Podiumsdiskussion statt. Dieser direkte Austausch mit einem echt interessierten Publikum war eine sehr belohnende Erfahrung für mich.

Tiefpunkt:Es gibt viele Tiefpunkte. Gefühle von Enttäuschung und Scheitern sind ein unvermeidbarer Teil des Prozesses, und es ist wichtig zu lernen, wie man damit umgeht.

Helden:Ich weiß gar nicht, ob ich Helden im eigentlichen Sinn hab', aber mit Kreativität ist ja oft eine Art Heldentum verknüpft, das sehr inspirierend sein kann – Philip Guston und Daniel Johnston fallen mir da ein.

Credo:Oha, das ist keine leichte Frage! Einem persönlichen Credo am nächsten kommt vielleicht: Sei bereit, deine eigenen Werte zu hinterfragen und geh' nicht davon aus, dass sie konstant oder universal sind.

Ein Rat, der Ihnen geholfen hätte:Hab' nicht so viel Angst vor Fehlern, und gib nicht so viel auf die Sicht anderer.

Warum Künstler, nicht Banker?Ich weiß gar nicht, ob die Finanz- und Kunstwelt so verschieden sind, wie die Frage nahelegt. Wie dem auch sei, es ist mir nie in den Sinn gekommen, Banker zu werden. Meine frühe Malbegeisterung hat wohl dazu geführt, dass ich eine so tiefe Leidenschaft für Bilder entwickelt habe, wie ich sie bis heute spüre.

©2024 Barbara Hein